Vorwort
Energiemärkte aus dem Gleichgewicht
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser
Wir blicken auf ein ereignisreiches und erfolgreiches Jahr zurück. Organisatorisch, personell und ökonomisch haben wir in einem mehr als turbulenten Energiemarkt 2021 die Weichen für die Zukunft gestellt. Organisatorisch folgen wir der Wertschöpfungskette und stärken die interne Zusammenarbeit. Wir haben in der Geschäftsleitung und weiteren Schlüsselfunktionen mit Fokus auf Diversität und Inklusion sukzessive einen Wandel vollzogen und den Verwaltungsrat weiter verkleinert. Der Wandel zeigt sich auch bei uns an der Unternehmensspitze. Wir – CEO Antje Kanngiesser und Verwaltungsratspräsident Johannes Teyssen – haben den Geschäftsbericht vor einem Jahr noch als designierte CEO respektive als «interessierter Marktbeobachter» gelesen. Nun zeichnen wir vollumfänglich für die Geschäfte verantwortlich und nehmen diese Rolle gerne wahr.
Insbesondere in der Marktbetrachtung war 2021 ein ereignisreiches Jahr. Die Energiemärkte sind gerade in den letzten Monaten dieses Jahres europaweit aus dem Gleichgewicht geraten. Erstmals gibt es quer durch Europa Diskussionen über die physische Versorgungssicherheit für Industrie, Gewerbe und private Kunden. Wir sehen vier wesentliche Gründe für diese Entwicklung. Erstens, der Energiehunger Asiens und die damit massiv gestiegene Nachfrage nach Gas und Kohle. Zweitens, die geopolitischen Unsicherheiten bei der europäischen Gasversorgung aufgrund zunehmender Spannungen zwischen Russland und der EU. Drittens, die ungeplanten Ausfälle zahlreicher französischer Kernkraftwerke sowie viertens, die Sorge um die Sicherheit in der Energieversorgung. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass die Preise für Gas im Dezember auf fast das Zehnfache des langfristig erlebten Preisniveaus explodiert sind. In deren Gefolge haben auch die Preise für Strom massiv angezogen. Trotz einer spürbaren Entspannung nach den Weihnachtstagen infolge wärmerer Wintertemperaturen sowie angekündigter zusätzlicher Flüssiggaslieferungen verharren diese auf einem hohen Niveau und bleiben sehr volatil. Diese Tatsachen gaben der Politik quer durch Europa und auch in der Schweiz Anstoss, nun wünschenswerte Veränderungen zu diskutieren, um ähnlich brisante Zuspitzungen in künftigen Wintern abzumildern, beispielsweise mittels Gasspeicherreserven in Deutschland oder der Speicherbewirtschaftung von Wasserkraftwerken in der Schweiz.
Alpiq mit deutlich verbessertem Handlungsspielraum
Die Rekordpreise an den europäischen Energiebörsen haben das Handelssystem auch finanziell an die Grenze gebracht. Denn alle Marktteilnehmer mussten ihre marktüblichen Preissicherungsverträge (Hedges) oder in die Zukunft gerichteten Lieferverträge – unabhängig von der Frage, ob sie zur künftigen Eindeckung über eigene Kraftwerke wie wir bei Alpiq verfügen oder reine Händler sind – zu den neuen Preisnotierungen mit liquiden Finanzsicherheiten unterlegen. Einige grössere Marktteilnehmer haben sich zu diesem Zweck in Höhe zweistelliger Milliardenbeträge mit Liquiditätszusagen eingedeckt. Aufgrund der sich ständig weiter verschärfenden Marktentwicklungen bis zum Beginn der Weihnachtswoche und anhaltend hoher Preiserwartungen für die Wintermonate im ersten Quartal 2022 hatte Alpiq frühzeitig diverse Extremszenarien vorbereitet und mit Aktionären und Banken hierfür das Gespräch gesucht. Die vorsorglich von unseren Aktionären bereitgestellte Liquidität hat unseren Handlungsspielraum deutlich verbessert. Die im Sinne höchster Vorsicht vorsorglich angefragte Unterstützung durch den Bund erwies sich nach der Entspannung der Märkte in den letzten Tagen des Jahres als nicht erforderlich. Die vielfältigen internen Optimierungsmassnahmen unseres Unternehmens haben unsere Resilienz gegenüber künftigen Marktentwicklungen signifikant erhöht. Als Unternehmen werden wir längerfristig natürlich von den deutlich gestiegenen Strompreisen profitieren können, auch wenn der rein vorübergehende Liquiditätsbedarf dadurch vorübergehend zunimmt.
Positives operatives Ergebnis über Vorjahr
In diesem, durch die Verwerfungen an den internationalen Energiemärkten geprägten anspruchsvollen Umfeld, hat Alpiq auf der operativen Ebene gut gearbeitet. Wir konnten 2021 einen Umsatz von 7,7 Mrd. CHF erwirtschaften. Der Umsatzsprung ist jedoch im Wesentlichen auf die im 2. Halbjahr stark gestiegenen Marktpreise zurückzuführen.
Vor Sondereinflüssen lag unser EBITDA bei 302 Mio. CHF und damit deutlich über Vorjahr. Massgeblich dazu beigetragen hat der Energiehandel, welcher für das Geschäftsjahr 2021 ein deutlich positives Ergebnis von 258 Mio. CHF ausweisen konnte. Wie erwartet schwächer als im Vorjahr lief die Schweizer Stromproduktion. Die ungeplante Verlängerung der Revision des Kernkraftwerks Leibstadt belastete das Ergebnis auf Gruppenebene mit -62 Mio. CHF. International haben wir von unserem flexiblen und effizienten Kraftwerkspark profitiert und konnten mit einem Ergebnis von 80 Mio. CHF das Vorjahresergebnis deutlich übertreffen.
Das Reinergebnis gemäss IFRS zeigt hingegen einen beträchtlichen Verlust. Grund dafür sind im Wesentlichen die oben genannten negativen Bewertungseffekte für unsere marktüblichen Preissicherungsgeschäfte im Gefolge der Rekordpreise für Strom und Gas zum Jahresende 2021. Unter Anwendung der IFRS-Richtlinien müssen die Fair-Value-Veränderungen der finanziellen Absicherungsgeschäfte bereits im Berichtsjahr abgebildet werden. Diese führen zu einer buchhalterisch bedingten Ergebnisverschiebung von 521 Mio. CHF in die Folgejahre, denn die zukünftigen Produktionsvolumina und die Energiebezugsverträge dürfen gemäss IFRS nicht zum Fair Value bewertet werden. Deshalb weisen wir entsprechende Bewertungsschwankungen – wie wohl fast alle Teilnehmer an den Energiehandelsmärkten – als «Sondereinflüsse» aus. Das ausgewiesene Reinergebnis gemäss IFRS 2021 (das heisst einschliesslich der Sondereinflüsse) sank deshalb deutlich von 99 Mio. CHF auf -271 Mio. CHF. Gleichzeitig sind auch die begleitenden Geldflüsse nur von vorübergehender Natur. So werden dann die jetzt zu hinterlegenden finanziellen Sicherungen wieder vollständig an uns zurückfliessen.
Liquidität und Finanzierung in herausforderndem Marktumfeld gesichert
Der Blick auf die Bilanz zeigt Folgendes: Das Eigenkapital beläuft sich per 31. Dezember 2021 auf 3,6 Mrd. CHF und liegt somit leicht unter dem Vorjahreswert. Die Eigenkapitalquote ist hauptsächlich aufgrund der energiepreisbedingten Verlängerung der Bilanz – durch die bereits beschriebenen Effekte mit Rekordpreisen, Bewertungsschwankungen und Sicherungshinterlegungen an den Energiebörsen – von 51,0 % auf 26,2 % gesunken. Auch hier erwarten wir im Gefolge der künftigen Abwicklung der Sicherungsgeschäfte durch Lieferungen aus unseren Kraftwerken in den Folgejahren ab 2022 eine starke Erholung der Bilanzrelationen. Per Ende 2021 verfügte Alpiq über eine Liquidität von rund 900 Mio. CHF und ist für das neue Geschäftsjahr solide aufgestellt.
Das Unternehmen Alpiq entwickelt sich weiter
Neben einer starken operativen Performance ist es unter der neuen Geschäftsleitung im vergangenen Jahr gelungen, intern bedeutsame Veränderungsprozesse anzustossen. Unser Ziel ist es, Alpiq auf ihr Kerngeschäft zu fokussieren und die Profitabilität in den Kernmärkten zu steigern. Es wurden gezielt Anpassungen in den Strukturen und Prozessen umgesetzt und eine wertebasierte Führungskultur initiiert. Diese Massnahmen werden sich auch mittel- und langfristig positiv auf das Unternehmen auswirken. Als Unternehmen streben wir nach wirtschaftlichem Wert für die Aktionäre unter Achtung von gesellschaftlichem und ökologischem Verhalten. Hinsichtlich dieser Dimensionen von Nachhaltigkeit wollen wir unseren Leistungsausweis erbringen. Und daran lassen wir uns messen.
Flexible Stromproduktion zur Erhöhung der Versorgungssicherheit
Wir setzen uns als Unternehmen für die Versorgungssicherheit ein. Das ist heute notwendiger denn je. Denn mit dem Scheitern des Rahmenabkommens ist auch das Stromabkommen in die Ferne gerückt. Die Nachbarstaaten der Schweiz müssen bis 2025 mindestens 70 % der grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel innerhalb der EU reservieren. Dies erhöht das Risiko, dass die Schweiz bei Engpässen im Abseits stehen wird. Der fortschreitende Ausstieg Deutschlands aus der Nutzung von Kernenergie und Kohle sowie das steigende Risiko altersbedingter Ausfälle von Kernkraftwerken in Frankreich erhöhen die Unsicherheit. In beiden Ländern gehen grössere Anlagen vom Netz, die im Zuge der Energiewende durch fluktuierende Wind- und Solarkraft ersetzt werden. Zur Stärkung der Versorgungssicherheit in der Schweiz braucht es im Winter deshalb zusätzliche flexible Stromproduktion. Wir als Alpiq arbeiten konsequent daran, dass auch in der Schweiz Projekte umgesetzt werden können, die einen signifikanten Beitrag dazu leisten können.
Pumpspeicherprojekt Nant de Drance vor Abschluss
Mit dem Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance steht ein Grossprojekt vor dem Abschluss, welches alle Beteiligten in den letzten mehr als zehn Jahren mit täglichem Einsatz und visionärer Grundhaltung unter sich drastisch veränderten Rahmenbedingungen erfolgreich umgesetzt haben. Das Kraftwerk, an dem Alpiq mit 39 % beteiligt ist, hat die letzte Testphase der technischen Inbetriebnahme erfolgreich durchlaufen. Die 900-MW-Anlage wird ab Mitte 2022 in den kommerziellen Betrieb überführt und leistet dann einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Schweiz und in Europa aus Wasserkraft.
«Gornerli»-Speicherprojekt mit grossem Potenzial
Oberhalb von Zermatt bietet sich die Möglichkeit für das Stauseeprojekt «Gornerli». Das Projekt ist vielversprechend. Mit zusätzlichen 650 Mio. kWh Stromproduktion in der kritischen Winterzeit, weist das «Gornerli» das aktuell grösste Potenzial jener Projekte auf, welche auf der Liste des «Runden Tischs zur Schweizer Wasserkraft» diskutiert werden. Gemeinsam mit der Gemeinde Zermatt hat die Kraftwerksgesellschaft Grande Dixence SA, an welcher die Alpiq eine Beteiligung von 60 % hält, das Projekt in den letzten Monaten vorangetrieben. Rund 150 Mio. m 3Wasser könnten für den Winter gespeichert und in den bereits bestehenden Anlagen der Grande Dixence zu erneuerbarem Strom turbiniert werden. Gleichzeitig würde der Speicher das Mattertal nachhaltig vor Hochwassern schützen.
Grösstes Solarprojekt der Schweiz in Planung
Ebenfalls im Wallis ist die bedeutendste hochalpine Photovoltaikanlage der Schweiz geplant. Im Simplongebiet, hoch über der Gemeinde Gondo-Zwischbergen bietet sich ein Grundstück nahe der Grenze zu Italien für den Bau einer Photovoltaikanlage an. Gemeinsam mit den Partnern der Gemeinde Gondo-Zwischbergen und dem privaten Grundstückeigentümer plant die Energie Electrique du Simplon SA (EES), an der Alpiq 82 % hält, ein Solarprojekt mit 18 MW Leistung. «Gondosolar» als grösstes Solarprojekt der Schweiz könnte dank der optimalen Lage jährlich rund 23,3 Mio. kWh umweltfreundlichen Strom produzieren. Mehr als die Hälfte davon im Winter, was für Solarprojekte bislang einzigartig ist.
Wasserstoff als Teil der Energiewende
Um den Klimawandel aufzuhalten, braucht es dringend alternative Energieträger. Grüner Wasserstoff ist eine optimale Alternative zu fossilen Energieträgern. Mit der Produktionsanlage beim Wasserkraftwerk Gösgen hatte Alpiq zusammen mit Partnern als Pionierin einen ersten Meilenstein gesetzt. Inzwischen gehen wir einen Schritt weiter und planen, ebenfalls partnerschaftlich, in Freienbach (Kanton Schwyz) den Bau einer Elektrolyseanlage mit einer Kapazität von bis zu 10 MW. Die Anlage soll 2023 in Betrieb gehen und im Endausbau pro Jahr rund 1 200 Tonnen Wasserstoff produzieren sowie Abwärme ins regionale Fernwärmenetz einspeisen.
Personelle Veränderungen in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
Wie eingangs bereits angetönt, war das Jahr 2021 sowohl im Verwaltungsrat als auch in der Geschäftsleitung von Veränderungen geprägt. Jens Alder, der Alpiq seit 2015 als Verwaltungsratspräsident und Executive Chairman erfolgreich durch eine anspruchsvolle Transformationsphase geführt hatte, hat unser Unternehmen per Ende Jahr verlassen. Er leitete durch einen tiefgreifenden Restrukturierungsprozess und setzte den Wechsel im Aktionariat sowie die Dekotierung der Alpiq Aktien von der Schweizer Börse um. Im Namen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und aller Mitarbeitenden danken wir Jens Alder für seinen langjährigen, engagierten Einsatz für Alpiq.
In der Geschäftsleitung arbeitet Alpiq auch in ihrer neuen Aufstellung hervorragend zusammen. Mit Luca Baroni als unserem neuen CFO und Alexandra Machnik als Head of Corporate Services konnten wir ausgewiesene Führungspersönlichkeiten mit umfassender Expertise für uns gewinnen. Wir freuen uns zudem, dass ab April 2022 Lukas Gresnigt den Geschäftsbereich International leiten wird. Als hervorragend vernetzte, bewährte und erfahrene Führungskraft wird er unsere Geschäftsleitung optimal verstärken. Er folgt auf Matthias Zwicky, der nach fast 20 Jahren erfolgreicher Arbeit für Alpiq in den Ruhestand geht. Unser gemeinsames Ziel ist es, uns auf das Kerngeschäft zu fokussieren und die Wertschöpfung und Profitabilität in Kernmärkten nachhaltig zu steigern.
Grosser Dank
Wir danken unseren Kunden, Partnern und Aktionären herzlich für ihr Vertrauen in Alpiq. Ein besonderer Dank geht an unsere Mitarbeitenden, die in einem sehr herausfordernden Umfeld eine herausragende Leistung erbracht haben. Nur durch ihre engagierte Arbeit konnte die starke operative Performance im 2021 erreicht werden.
Alpiq profitiert mittel-/langfristig von hohen Energiepreisen
Wir können eine positive Bilanz ziehen und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Alpiq hat die akute, durch unvorhersehbare sowie nie dagewesene Verwerfungen am Markt verursachte Situation vorausschauend und proaktiv angepackt, und konnte dank ihrer soliden Basis und umsichtigen Aktionären den Handlungsspielraum sinnvoll vergrössern. Alpiq verfügt über ein stabiles operatives Geschäft mit einer guten Profitabilität und wird auf operativer Ebene mittel- und langfristig von den steigenden Energiepreisen profitieren.
Positive Ergebnisse für 2022 erwartet
Alpiq ist mit ihrem Geschäftsmodell gut aufgestellt. Die steigenden, im Vorfeld abgesicherten Preise werden sich positiv auf das Ergebnis auswirken. Aufgrund der dynamischen Marktentwicklung erwartet Alpiq für 2022 ein positives operatives Ergebnis (EBITDA) vor Sondereinflüssen auf ähnlichem Niveau wie in den vergangenen zwei Jahren.
Für das Geschäftsjahr 2022 erwartet Alpiq aus heutiger Sicht ein positives Reinergebnis (IFRS). Die Ergebnisverschiebungen des Geschäftsjahres 2021 mit negativen buchhalterischen Effekten werden sich entsprechend in den Folgejahren zeitversetzt positiv auswirken.
Johannes Teyssen
Verwaltungsratspräsident
Antje Kanngiesser
CEO
23. Februar 2022